Im Gespräch mit Dr. Stefan Einsiedel - wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik - diskutieren wir die Problematik eines falschen Verständnisses von Effizienz in der Landwirtschaft: Wie kommt es zu diesem verengten (und damit falschen) Verständnis von Effizienz? Wie kann stattdessen gemeinwohlorientierte Landnutzung gelingen? Welche Rollen spielen dabei Transparenz und Bürgerbeteiligung?
Im Spannungsfeld von Flächenproduktivität und betriebswirtschaftlichen Effizienz
In ihrer neuen Studie zum Thema “Globale Landnutzungswende: Für Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität” stellt die Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik fest, dass es für eine zukunftsfähigere Agrarpolitik keine pauschale Patentlösung gibt: Weder der ein simples „Weniger ist mehr“ noch ein trotziges „Weiter so“ helfen weiter, stattdessen braucht es eine klügere und gerechtere Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Sowohl die mehr als 800 Millionen Subsistenzlandwirte (vor allem im Globalen Süden) als auch die 12 Millionen intensiv wirtschaftenden Landwirte (vor allen in den Industrieländern) müssen sich ändern und können dabei voneinander lernen.
Das “Effizienzproblem” der Subsistenzlandwirte besteht darin, dass sie auf dem verfügbaren Land relativ betrachtet wenig Nahrung erwirtschaften können und daher insgesamt sehr große Flächen benötigen. In Krisen geraten sie schnell unter Druck, ihre Anbauflächen aufzugeben oder auf Kosten angrenzender Ökosysteme auszudehnen.
Dieser geringen Flächenproduktivität stehen etwa 12 Mio. intensiv wirtschaftende Betriebe gegenüber; diese produzieren mit wesentlich höherem Kapitaleinsatz (und deutlich weniger Arbeitsstunden pro Fläche) im Durchschnitt pro Hektar die achtfache Erntemenge. Diese vermeintlich höhere Flächeneffizienz ist jedoch nicht nachhaltig, denn die Überbeanspruchung der Flächen und ein übermäßiger chemisch-synthetischer Ressourceneinsatz belastet die Ökosysteme und mindert langfristig die landwirtschaftliche Produktivität.
An diesem Beispiel zeigt sich, wie problematisch es ist, wenn die Landwirtschaft sich an einem zu eng gefassten Verständnis von Effizienz orientiert: Allzu häufig werden bei einer engen betriebswirtschaftlichen Effizienz nur die leicht bezifferbaren Kosten des Einsatzes einiger weniger Ressourcen zur Erreichung eines einzelnen (für den Anwender finanziell lohnenden) Zieles betrachtet, während viele andere (positive wie negative) Folgen dieses Ressourceneinsatzes für die einzelnen Landwirte wie die Allgemeinheit ausgeblendet werden. So werden beispielsweise Hektarerträge verglichen, aber die dafür von den Familien unentgeltlich geschulterten Mehrbelastungen ignoriert. Beim „effizienten Einsatz von Düngemitteln“ geht es fast ausschließlich um die damit zu erzielende Produktionsmenge einer einzelnen Feldfrucht eines Jahres, aber nicht etwa um die damit einhergehenden Auswirkungen auf die CO2-Speicherkapazität des Bodens, den Schutz von Trinkwasser oder die Pflege der örtlichen Artenvielfalt.
Mit Mehrgewinnstrategien auf dem Weg zu einem gemeinwohlorientierten Effizienzbegriff
Um alle für die Gesellschaft relevanten Folgen landwirtschaftlicher Tätigkeit berücksichtigen zu können, muss man solch eindimensional verengte Effizienz-Konzepte zu Gunsten eines nachhaltigeren gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsverständnisses überwinden. Dazu ist ein Perspektivwechsel hin zu einer Gemeinwohl-Effizienz notwendig, welche die relevanten gesellschaftlichen Ziele – nachhaltige Produktivität landwirtschaftlicher Tätigkeit, Einkommenssicherung für Landwirte, Sicherung der ökosystemaren Dienstleistungen – in integrierter Weise verfolgt und damit zur Stärkung der Resilienz des gesamten ländlichen Raums beiträgt.
Expertengremien wie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU) empfehlen in diesem Zusammenhang die Suche nach Mehrgewinnstrategien, um von der zunehmenden Konkurrenz einzelner Ziele und verschiedener Akteure zu Kooperation und Integration zu gelangen. Dabei geht es im Kern darum, Mehrfachnutzungen von Land intelligenter zu gestalten und insbesondere für Landwirte, aber auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette (bis hin zu den Endverbrauchern und Steuerzahlern) deutlich attraktiver zu machen. Dies beinhaltet unter anderem, (1.) Bei Landnutzung wie auch Renaturierungsmaßnahmen das bislang oft ignorierte CO2-Bindungspotential von Agrarsystemen deutlich gezielter zu nutzen, etwa durch Agroforstsysteme, die angepasste Nutzung wiedervernässter Böden oder gezielten Humusaufbau; (2.) nicht kategorisch zwischen Schutz- und Nutzgebieten zu unterscheiden, sondern beide Funktionen stärker zu kombinieren und das Erbringen ökosystemarer Dienstleistungen finanziell zu entgelten; (3.) Landwirtschaftssysteme durch Diversifizierung generell resilienter zu machen; (4.) global ressourcensparender zu wirtschaften, was bedeutet, tierproduktlastige Ernährungsstile und Lebensmittelverschwendung deutlich zu reduzieren, sowie (5.) das ungenutzte Potential der Digitalisierung und Bioökonomik zu entfalten und für Land- und Forstwirte hier und global nutzbarer zu machen.
Hier erfahren Sie mehr zum aktuellen Projekt der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik!
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