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Hanna Keber

Öko-Pionier Dr. Felix Prinz zu Löwenstein über die Zukunft der Landwirtschaft: “Die Landwirte alleine werden den Umbau nicht schaffen können."

Updated: Sep 5

Im Interview spricht Ic. Dr. Felix Prinz zu Löwenstein über die Notwendigkeit eines globalen Umdenkens in der Landwirtschaft, die Herausforderungen der ökologischen Bewirtschaftung und den Weg zu einer nachhaltigen Zukunft.  


Bewusstsein für Bodennutzung schärfen


Wenn Sie eine Sache in der globalen Landwirtschaft jetzt und sofort ändern könnten – was würden Sie tun?  


Niemand kann und wird die globale Landwirtschaft verändern – das können nur die einzelnen Bäuerinnen und Bauern in ihrem Kontext. Es könnte aber mit Hilfe internationaler Handelsverträge eingeleitet werden, dass „Preise die Wahrheit“ sprechen – dass also der Schaden, der an Umweltgütern oder den Lebenschancen künftiger Generationen angerichtet wird, von den Verursachern zu bezahlen und die Preise ihrer Produkte eingerechnet werden müsste. Das würde die nötigen Veränderungen bewirken.


Sie studierten in den 1970er Jahren Agrarwissenschaften. Welche Bedeutung hatte damals die Bodennutzung? War den Menschen damals schon bewusst, dass Boden knapp und teuer wird? 


Als betriebswirtschaftliches Modell schon – denn die knappen Produktionsfaktoren hießen „Arbeit, Kapital und Boden“. Aber was völlig fehlte, war das Bewusstsein dafür, dass wir mit unserer Art zu wirtschaften, den Boden schädigen – und darüber hinaus die Biodiversität und damit die Funktionsfähigkeit von Ökosystemen. Solche Gedanken hatten damals nur sehr wenige, im wesentlichen belächelte Vordenker.


Die Bedeutung der ökologischen Landwirtschaft


Sie gelten als Öko-Pionier, bereits 1992 haben Sie auf Bio-Landwirtschaft gesetzt. Was haben Sie damals schon wahrgenommen, was andere noch nicht sehen konnten oder wollten?


Mir war erst einmal nur unwohl beim Umgang mit chemisch-synthetischen Pestiziden und ich habe dankbar die Chance ergriffen, darauf zu verzichten. Wie komplex Ökosysteme sind - auch in unseren Böden, wie wir in diese eingreifen, wie wir als Landwirte zum Klimawandel beitragen, welche Rolle Ökolandbau in der globalen Ernährungssicherung spielen kann – all das ist mir erst nach und nach klar geworden. Diese Erkenntnis in meinem Kopf zu ordnen war auch das Motiv, mein Buch FOOD CRASH zu schreiben.   

Was könnte man in der ökologischen Landwirtschaft vor allem noch verbessern?

Diese Wirtschaftsweise ist kein monolitischer Block. Es gibt erhebliche Unterschiede. Es gibt Bauern, die glauben, ökologisches Wirtschaften bedeute lediglich Ersatz von konventionellen Betriebsmitteln durch im Ökolandbau erlaubte. Und es gibt solche, die ein tiefes Verständnis für die Funktionsweise natürlicher Systeme entwickelt haben und ihr Wirtschaften danach gestalten. Wenn wir deren Erkenntnissen folgen, werden wir stabile Systeme entwickeln, in denen wir den Eingriff von außen minimieren können, weil sie sich selbst regulieren. Da gibt es noch viel zu verstehen und zu entwickeln – auch für die Forschung. Dann wird es uns auch gelingen, zu höheren und verlässlicheren Ernten zu kommen


Wer müsste alles an einem Strang ziehen, damit wir künftig unsere Ernährung sichern und die Biodiversität schützen können?


Politik hat eine wichtige Rolle, weil sie wie in keinem anderen Zweig der Volkswirtschaft durch ihre Rahmensetzung bestimmt, was sich in der Landwirtschaft rentiert und was nicht. Immerhin stammen bei uns in Europa 16% ihrer Bruttowertschöpfung aus Fördermitteln – und damit ein erheblicher Teil des Einkommens der Höfe. Auch ist die Frage wichtig, in welche Art von Agrarforschung öffentliche Mittel fließen. Natürlich muss der Berufsstand – vor allem der Bauernverband – an einer Transformation mitwirken wollen, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen sichert. Bauernproteste zur Bewahrung des Status Quo sind kontraproduktiv.

 

Alle am Dialog beteiligen


Gibt es denn bereits einen Dialog zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, wenn es darum geht, Probleme wie Klimakrise und Erhalt der Artenvielfalt zu meistern? 


  Ja, den gibt es. Viele Bäuerinnen und Bauern haben längst verstanden, dass es die eben angesprochene Transformation braucht und suchen nur noch nach Wegen, wie sie das mit der Erhaltung ihrer Betriebe in Einklang bringen können. Der Dachverband der Ökobranche, BÖLW – dem ich für fast 20 Jahre vorsitzen durfte – realisiert gerade mit dem Deutschen Bauernverband ein gemeinsames Projekt. Es geht darin um die Entwicklung von Methoden, mit denen man Humus aufbauen kann. Das ist nicht nur für die Betriebe wichtig, die da vorwärtskommen wollen, sondern auch ein ermutigendes Beispiel für gemeinsame Zukunftsarbeit.


Welche AkteurInnen sollten noch an einen solchen Dialog beteiligt werden?


Ich habe in der Zukunftskommission Landwirtschaft mitarbeiten dürfen. Das war eines der spannendsten Projekte in der Zeit, in der ich politisch für den Ökologischen Landbau gearbeitet habe. Der Abschlussbericht trägt den Titel: „[…] Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Das ist eine Schlüssel-Aussage. Die Landwirte alleine werden den Umbau nicht schaffen können. Da müssen alle – Verbraucherinnen und Verarbeiter, Industrie und Handel, Forschung und Bildung und viele Bereiche mehr ihren Beitrag leisten. Politisch und wirtschaftlich.   


Wäre Ihr Konzept der ökologischen Landwirtschaft übertragbar auf konventionelle Höfe? Wo liegen die Grenzen und was wäre machbar?


Schon heute lernen die beiden Systeme voneinander – beispielsweise im KlimaHumusNetz, dem erwähnten gemeinsamen Projekt von BÖLW und DBV. Auch auf Ebene nachbarlichen Austausches läuft da viel. Man muss aber klar sehen: Ökolandbau funktioniert unter unseren europäischen Bedingungen nur mit einem Markt, der entsprechend höhere Preise erzielt. Ein konventioneller Betrieb muss alle Register ziehen, die ihm gesetzlich erlaubt sind, um zu den geringen konventionellen Preisen produzieren zu können. Da bleibt ihm nur sehr wenig Spielraum für Veränderungen in Richtung Ökolandbau. 

 


 

Felix Prinz zu Löwenstein ist ein deutscher Agrarwissenschaftler und Verfechter der ökologischen Landwirtschaft. Bekannt für sein Engagement im Biosektor und seine Kritik an industrieller Landwirtschaft, ist er seit 2020 Mitglied im Bioökonomierat der Bundesregierung.

 

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